Forum geobotanicum (2005) 2:8-18
DOI 10.3264/FG.2005.1222

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Franz G. Dunkel

Zur Kenntnis des Ranuculus auricomus-Komplexes in Deutschland:
Ranunculus suborbicularis spec. nova

The Ranunculus auricomus complex in Germany:
Ranunculus suborbicularis spec. nova

Published online: 22 December 2005
© Forum geobotanicum 2005

Abstract In 1949 O. Schwarz published an article on thuringian species of the Ranunculus auricomus complex illustrated with several pictures of the species. However, figure 2, purported to represent Ranunculus vertumnalis, does not correspond with the type material. The specimen depicted in figure 2 of Schwarz (1949) showed almost circular later leaves and lacked the main incisures and, therefore, is described here as R. suborbicularis spec. nov. Details of leaf cycle, cauline leaves and other features are presented. The known distribution includes Thuringia, Bavaria and Berlin (obviously extinct). Due to a restricted number of populations R. suborbicularis is considered to be endangered.

Keywords Ranunculus suborbicularis · Ranunculus auricomus · Ranunculus vertumnalis · Thüringen · Bayern · Berlin

Zusammenfassung Die bei Schwarz (1949) als R. vertumnalis abgebildeten Pflanzen entsprechen nicht dem Typusmaterial, sondern weichen durch fast kreisförmige Blattspreiten der Schlussblätter und geringe Blattteilung ab. Sie werden hier als R. suborbicularis spec. nov. beschrieben und mit ihrem Blattzyklus und weiteren Belegen abgebildet. Die bekannte Verbreitung erstreckt sich auf Berlin (wohl erloschen), Thüringen und Bayern. Insgesamt ist aufgrund der kleinen Zahl der Populationen eine starke Gefährdung anzunehmen.

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Dr. Franz G. Dunkel
Am Saupurzel 1 · D-97753 Karlstadt · Germany
Email: F.G.Dunkel@t-online.de
Tel.: +49 (0)9353 90146; FAX: +49 (0)9353 1881

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Einleitung
 
Gattungen mit apomiktischen Kleinarten wie Taraxacum, Hieracium oder Rubus stellen noch immer eine wissenschaftliche Herausforderung für Taxonomen und Floristen dar. Dies gilt sicherlich in besonderem Maße für den Ranunculus auricomus-Komplex. Trotz einer Vielzahl embryologischer und karyologischer Arbeiten zwischen 1943 und 1995 (Häfliger 1943; Marklund & Rousi 1961; Nogler 1971, 1972, 1973, 1982, 1984, 1989, 1995; Rousi 1955, 1956; Rutishauser 1960, 1966; Vuillemin 1990, 1992) sind wir von einem Verständnis der Apomixis und erst Recht von einer Kenntnis der Phylogenese der Arten weit entfernt. Die geringe Zahl seit 1990 erschienener Publikationen über den Ranunculus auricomus-Komplex in Deutschland spiegelt den mangelhaften Erkenntniszuwachs zutreffend wider. Um aber Entstehungsgeschichte und Verwandtschaftsverhältnisse einzelner Arten, Populationen oder Pflanzen entschlüsseln zu können, ist es unverzichtbar, Sippen morphologisch abzugrenzen und zu benennen (Brodtbeck 1998; Hörandl 1998; Hörandl & Gutermann 1995, 1998b, 1998c, 1999). Nur dann entstehen sinnvolle Fragestellungen, die vermutlich mit molekularbiologischen Methoden zu beantworten wären.
 
In schwierigen Formenkreisen ist es unerlässlich, - ähnlich wie es Weber im westfälischen Sammelgebiet von K.E.A. Weihe, dem Begründer der europäischen Rubusforschung, durchgeführt hat (Weber 1973) - , die Originalwuchsorte (loci typi) aufzusuchen und nach Möglichkeit die den Beschreibungen zugrunde liegenden Populationen aufzufinden. Nur so ist es möglich, fehlende Merkmale oder ungenaue Beschreibungen der früheren, meist weniger umfangreichen Originaldiagnosen zu ergänzen.
Für Deutschland gibt es neben der Dissertation von Borchers-Kolb über "Ranunculus Section Auricomus in Bayern und den angrenzenden Gebieten" (Borchers-Kolb 1985) vor allem die "Beiträge zur Kenntnis kritischer Formenkreise im Gebiet der Flora von Thüringen. Ranunculus ser. Auricomi" (Schwarz 1949). Die Arbeit enthält unter anderem die Neubeschreibung und Diagnose des Ranunculus vertumnalis. Zu Vorkommen und Häufigkeit an der Weimarer Typuslokalität schreibt Schwarz: "halbschattige Gebüsche des Parks zu Belvedere, massenhaft !!" (Schwarz 1949, S. 125). Schwarz nennt weitere Wuchsorte in Weimar, zahlreiche weitere Orte in Thüringen und gibt darüber hinaus an: "außerhalb des Gebietes sah ich sie aus einem Gebiet, das etwa von Göttingen durch Schlesien, Böhmen, Mähren bis Niederösterreich, Ungarn und Siebenbürgen reicht". Auch Borchers-Kolb nennt eine Vielzahl bayerischer Fundorte (Borchers-Kolb 1985, S. 173f.) Insofern stellte es eine echte Enttäuschung dar, als ich bei meinem ersten Besuch in Weimar keine einzige Pflanze finden konnte, die der Abbildung in der Schwarz'schen Arbeit vollständig entsprochen hätte (Schwarz 1949, S. 125). Lediglich im alten Hauptfriedhof konnten bei einem zweiten Besuch einige Pflanzen mit geschlossenem Spreitengrund entdeckt werden, die zu "R. vertumnalis" gestellt werden konnten. Trotz Zuhilfenahme eines Originalheftes war aufgrund der schlechten Druckqualität die Schede des abgebildeten Herbarbeleges nicht zu entziffern.
Hier half erst eine um Jahre verzögerte Einsicht in das relativ umfangreiche gesammelte Material von Schwarz im Jenaer Herbarium Haussknecht (JE). Das Typusmaterial stammte – wie richtig angegeben – vom „Park zu Belvedere, leg. Torges, 12.5.1893“. Die abgebildete Pflanze dagegen wurde von Schwarz im Webicht südlich Weimar gesammelt und ebenfalls als R. vertumnalis bestimmt.
 
Bei der Nennung des Namens merkt Schwarz an: „Vertumnus: Gott des Wandels und Wechsels, auch der Jahreszeiten, schließlich auch der Gaukler und Schwindler“. Ferner schreibt er: R. vertumnalis übertrifft diese – gemeint ist R. puberulus W. Koch – durch ihre noch weiter gespannte Heterophyllie. Unsere Art beginnt mit einem an Geranium lucidum gemahnenden Blattschnitt, der bei den späteren Blättern durch Zuspitzung der Zipfel etwa die Form des Ranunculus acer erreicht, um unvermittelt erst durch breit elefantenohrlappige, dann aber zuletzt noch weitere ganz ungeteilte herz-nierenförmige Sommerblätter abgelöst zu werden. In der lateinischen Diagnose heißt es entsprechend, „iis [segmentis] seriorum profundius incisis lobis crenisque angustioribus acutioribus magis porrectis“. (Die Abschnitte der späteren Blätter [besitzen] tiefere Einschnitte mit schmaleren, spitzeren und mehr ausgezogenen Abschnitten und Kerbzähnen).
 
Die abgebildeten Pflanzen fallen aber gerade durch eine geringe Teilung und einen fast kreisförmigen Umriss der Schluss- bzw. Sommerblätter auf. Eine Teilung der Frühjahrsblätter (= spätere Blätter), die nur im Entferntesten an Ranunculus acer erinnert, findet sich keinesfalls. Damit war klar, dass es sich bei den abgebildeten Pflanzen um eine andere Art handeln muss.
Zwischenzeitlich konnte die Population im Webicht in wenigen Exemplaren wieder aufgefunden und kultiviert werden. Die Merkmale haben sich über mehr als ein halbes Jahrhundert konstant gehalten. Keinesfalls aber repräsentiert die Population den noch immer im Park zu Belvedere vorkommenden R. vertumnalis. Es erfolgt deshalb eine Neubeschreibung als Ranunculus suborbicularis spec. nov., Rundblättriger Hahnenfuß.
 
Methoden, Technische Hinweise
 
Artbegriff, Terminologie, Methodik der Merkmalsauswertung und Darstellung der Merkmale lehnen sich weitgehend an Hörandl & Gutermann an (Hörandl & Gutermann 1998a) und sollen so einer weitest möglichen Merkmals-Standardisierung in diesem Komplex dienen.
Merkmale, die für die Beschreibung des Ranunculus suborbicularis nicht benötigt werden, werden deshalb in diesem Abschnitt trotzdem beibehalten.

Abb. 1a Vereinfachtes Schema der wichtigsten Blattmerkmale. Der Quotient L1/L2 ergibt den Teilungsgrad der Einschnitte, angegeben in Prozent. Der Basispunkt B ist definiert durch das Zusammentreffen der Hauptblattnerven. Vom Basispunkt aus werden Öffnungswinkel des Spreitengrundes gemessen.
Fig. 1a Simplified scheme of the most important leaf characteristics. The quotient L1/L2 indicates the degree of incision, given in percent. The basic point B is defined as meeting point of the main nerves of the leaf. The angles of the leaf base were measured using the basic point B.
Abb. 1b Schematische Darstellung und Merkmale eines kahlen und behaarten Fruchtbodens („Torus“).
Fig. 1b Model and features of a haired and nude torus.

 
Oberirdisches Achsensystem
 
Größe des Blühtriebes:

schmächtig:  
schlank:
kräftig:

Blühtrieb 10-25 cm lang, Stängel 1 mm Ø
Blühtrieb 26-40 cm lang, Stängel 1,5-2,5 mm Ø
Blühtrieb 41-60 cm lang, Stängel 3-5 mm Ø

 
(falls nur ein Kriterium zutrifft, erfolgt die Zuordnung zur nächst höheren Klasse)
Verzweigung des Blühtriebes beim untersten Stängelblatt:

straff aufrecht:  
mäßig abstehend:
ausladend:

(Winkel zwischen Mutter- und Seitenachsen) 10-30°
30-50°
50-70°

 
Blattschnitt der Grundblätter
Zur Beschreibung der Spreite werden die Öffnung des Spreitengrundes
(„Basalbucht“), der Teilungsmodus, die Ausbildung des Blattrandes
(s. Schema Abb. 2) und bei Bedarf die Form des Mittelabschnittes
angegeben (s. Schema Abb. 3).

 
Spreitengrund („Basalbucht“)

geschlossen:
engbuchtig:
V-förmig:
weitbuchtig:
gestutzt:

45–5°
5–80°
80–100°
100–170°
170–190°

 
Teilungsgrad eines Spreitenabschnitts

geschnitten:
geteilt:
gespalten:
gelappt:
unzerteilt:

100%
66-99%
33-65%
25-32%
0-24%

 

Abb. 2 Schema der Blattrandausbildung.
Fig. 2 Scheme of leaf margins (crenate, crenate-serrate, serrate, dentate).

 
Blattrand

 
Allgemeine Struktur

ganzrandig:
gekerbt:
kerbsägig:
gesägt:
gezähnt:

ohne Zähne bzw. Buchten
Zipfel abgerundet, Buchten spitz
Zipfel spitzbogig, Buchten spitz
Zipfel spitz, Buchten spitz
Zipfel spitz, Buchten abgerundet

 
Details

tief
 
seicht
 
breit
 
schmal
 
grob
 
fein

gekerbt/kerbsägig/gesägt/gezähnt:
Einschnitt ca. 15-24%
gekerbt/kerbsägig/gesägt/gezähnt:
Einschnitte <5%
gekerbt/kerbsägig/gesägt/gezähnt
Zähne deutlich breiter als hoch
gekerbt/kerbsägig/gesägt/gezähnt:
Zähne deutlich höher als breit
gekerbt/kerbsägig/gesägt/gezähnt:
Zähne tief und breit
gekerbt/kerbsägig/gesägt/gezähnt
Zähne seicht und klein

 

 
Abb. 3 Umrissformen des Mittelabschnittes. (a) Deltoid: 1-2,5x so lang wie breit; breit deltoid: 0,5–1x so lang wie breit; schmal deltoid: 2,5-3x so lang wie breit. (b) Rhombisch: 1–2x so lang wie breit; (c) rechteckig: 1-2x so lang wie breit.(d) Keilförmig: 2-6x so lang wie breit; breit keilförmig: 1,5-2x so lang wie breit; schmal keilförmig: 6-12x so lang wie breit. (e) Trapezoid: 0,3-1x so lang wie breit. (f) Spatelförmig. (g) Lanzettlich: 4-6x so lang wie breit; breit-lanzettlich: 3-4x so lang wie breit; schmal-lanzettlich: 6-9x so lang. (h) Verkehrt-eilanzettlich: wie lanzettlich, mit größter Breite über der Mitte. (i) Länglich: parallelrandig, (2)3-6(9)x so lang wie breit. (j) Linealisch: parallelrandig, 9-20x so lang wie breit. (k) Gestielt: mit jeder der obigen Formen kombinierbar, z.B. rhombisch-gestielt.
Mischformen werden durch Verbindung der obigen Begriffe mit Bindestrich angegeben, z.B. rechteckig-deltoid.
Fig. 3 Outline drawing of the middle leaf segments.
(a) Deltoid. (b) Rhombic. (c) Rectangular. (d) Cuneate. (e) Trapezoid.
(f) Spathulate. (g) Lanceolate. (h) Oblanceolate. (i) Oblong. (j) Linear.
(k) Petiolate.

 
Blüte und Frucht
Anzahl der Nektarblätter, als Kronblätter (petala) bezeichnet:
Länge der bestausgebildeten Kronblätter
 
Höhe des Staubblattansatzes (androclinium)
 
Ausbildung oder Fehlen eines Zwischenstücks, d.h. einer glatten Basalzone
des Fruchtbodens ohne Fruchtträger (vgl. Abb. 1b):

Zwischenstück fehlend: 
Zwischenstück kurz:
Zwischenstück lang:

glatte Zone <10% der Fruchtbodenhöhe
glatte Zone 10-25% der Fruchtbodenhöhe
glatte Zone > 25% der Fruchtbodenhöhe

 
Behaarungsdichte des Fruchtbodens:
kahl, spärlich, zerstreut, locker, dicht behaart
 
Länge der längsten Fruchtträger zur Fruchtzeit
 
Länge der gut ausgebildeten Früchte sowie Länge des Fruchtschnabels an gut ausgebildeten reifen Früchten
 
Krümmung des Fruchtschnabels:
gerade, hakig, gerollt.
 
Die graphische Darstellung der Grundblätter erfolgt in einem Raster, das die Grundblattfolge einer Population von oben nach unten spaltenweise darstellt. Hierbei sind zwei oder drei Blattzyklen vergleichend nebeneinander gestellt.
 
Die Herbarbelege werden in der Titelleiste mit einem Kürzel (Du = Hb. Dunkel, JE = Herbarium Haussknecht, Jena) und soweit bekannt der Belegnummer bezeichnet. In der linken Randleiste wird die Blattfolge durchnummeriert, in der rechten Leiste die phänologische Grobeinteilung in Anfangs-, Frühjahrs- und Schlussblätter angegeben. Die Kleinbuchstaben neben den Blattzeichnungen bezeichnen das jeweilige Individuum der Population. In den Legenden zu den Abbildungen der Stängelblätter erfolgt die Angabe der Population mit denselben Kürzeln wie bei den Darstellungen der Grundblätter. Auf die Darstellung der Blattnervatur wird verzichtet, da sie keine systematische Bedeutung besitzt. Die Früchte des Ranunculus auricomus-Komplex besitzen eine hohe Variabilität, dienen aber nur sehr selten als Differenzierungsmerkmal, so dass auf eine Darstellung in den meisten Fällen verzichtet werden kann.

 
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Ergebnisse
 
Ranunculus suborbicularis Dunkel spec. nova - Beschreibung und Diagnose
 
Holotypus: Deutschland, Thüringen, Weimar: 5034.11: “Webicht, an der Jenaer Straße beim Flugplatz“„ subsp. R. vertumnalis Schwarz, 11.05.1947 , Hb. JE (Abb. 8). - Die Art ist nach den fast kreisförmigen Schlussblättern benannt. - Abb. 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13.
Diagnosis: Planta gracilis ad robusta, plerumque erecto-patens vel patens. Folia primaria basi angusta ad V-formia, indivisa (incisura principali ad maximum 10-25%), segmento mediano indiviso, rectangulo vel trapezoideo, dentibus 3-7, segmento laterali incisuris absentibus.
Folia vernalia basi clausa ad angusta, incisura pincipali partita ad secta (quarta folia) vel lobata (tertia et quinta folia), segmento mediano indiviso, rectangulo (trapezoideo) ad late deltoideo (late oblanceolato), dentibus 3-9, segmento laterali incisuris 1-2, margine irregolariter late et profunde (leviter) crenato vel crenato-serrato, ad minorem partem denticulato; folia finalia basi clausa ad angusta, indivisa, circuitu suborbicularia (nomen!), margine grosse et late crenato ad crenato-serrato; folium caulinum infimum segmento mediano late oblanceolato ad trisecto dentibus patentibus vel denticulato (integerrimo).
Petala plerumque abortiva; gynoclinium ovatum ad elliptoideum, intervallum carens, glabrum ad sparse pilosum, carpellophoris mediocriter longis.
R. suborbicularis differt a R. glechomoides (Julin) S. Ericsson gynoclinio elliptoideo, foliis primariis incisuris minoribus et plerumque indivisis, foliis vernalibus segmento mediano petiolato nullo; a R. biformis W. Koch floribus imperfectis, foliis finalibus late crenato-serratis.
 
Blühtrieb schlank bis kräftig: 18-37 cm lang; 1,5-3 mm im Ø; mäßig abstehend bis ausladend verzweigt, 3-7(10)blütig; grundständige Bereicherungstriebe 0-2; Niederblätter 0-1; Grundblätter 2-5 pro Rosette.
 
Anfangsblätter (1.-2. Grundblatt): Spreite am Grund engbuchtig bis V-förmig, 8-15 mm lang, unzerteilt (per definitionem Haupteinschnitt <25%, durchaus aber 10-25% erreichend); Mittelabschnitt (wenn vorhanden) unzerteilt, rechteckig bis trapezoid, 3-7zähnig; Seitenabschnitt unzerteilt; Blattrand unregelmäßig breit und seicht gekerbt.
 
Frühjahrsblätter (3.-5. Grundblatt): Spreite am Grund geschlossen bis engbuchtig, (-5) 5-30 (70)° geöffnet, 18-30 mm lang, Mittelabschnitt unzerteilt, 3-7zähnig.
3. Grundblatt: Spreite am Grund geschlossen bis engbuchtig, unzerteilt, Mittelabschnitt rechteckig bis rechteckig-deltoid (trapezoid), 3-7zähnig, Seitenabschnitt ungeteilt, 1. Seiteneinschnitt gelegentlich angedeutet, aber <20%; Blattrand unregelmäßig breit und seicht gekerbt, einzelne Blattrandabschnitte gelegentlich kerbsägig.
4. Grundblatt: Spreite am Grund geschlossen bis engbuchtig (-10-30°), durch den Haupteinschnitt (50) 60-80 (90)% gespalten bis geteilt; Seitenabschnitt durch den 1. Seiteneinschnitt gespalten bis gelappt (10-60% der Spreite), seltener unzerteilt, durch den 2. Seiteneinschnitt unzerteilt bis gelappt. Mittelabschnitt breit deltoid bis breit verkehrt-eilanzettlich, 5-9zähnig. Blattrand unregelmäßig gekerbt bis kerbsägig, an kurzen Abschnitten gezähnelt.
5. Grundblatt: Spreite am Grund geschlossen bis engbuchtig, unzerteilt oder durch den Haupteinschnitt gelappt (Mittelabschnitt rechteckig bis breit-deltoid bzw. trapezoid mit 5-9 Zähnen); Seitenabschnitt stets ungeteilt, Blattrand grob gekerbt bis gezähnt.
Schlussblätter (6.-7. Grundblatt): Spreite am Grund geschlossen bis engbuchtig (-20 bis +30°), unzerteilt, 18-38 mm lang mit fast rundem Umriss (Name!); Blattrand grob und breit gekerbt oder kerbsägig.

 
Ranunculus suborbicularis, leaf sequence

Abb. 4 Grundblattfolge von R. suborbicularis.
Fig. 4 Leaf sequence of R. suborbicularis.

 
Unterstes Stängelblatt: Mittelabschnitt 31-42 mm lang, 6-11 mm breit, 3,2-6,5x so lang wie breit, verkehrt-eilanzettlich oder 3-spaltig, Blattrand gezähnt oder gezähnelt, Zähne teilweise deutlich spreizend, selten ganzrandig.
 
Blüte und Frucht: Kronblätter 0-5, 5-8 (10) mm lang (im Durchschnitt 6,9 mm); Staubblattansatz 0,3-0,5 mm hoch; Fruchtboden (verkehrt)eiförmig bis ellipsoidisch, 3,2-5,0 mm hoch, 2,1-3,1 mm breit, kahl (spärlich behaart), Zwischenstück fehlend; Fruchtträger 0,3–0,6 mm lang; Früchte 2,1-2,9 mm, Fruchtschnabel 0,5-0,8 mm lang, (hakig) gerollt.

Pollenqualität:
 
Chromosomenanzahl: 
Blütezeit:

nicht bekannt, Früchte nur zu maximal 50% gut ausgebildet
und daher apomiktische Fortpflanzung wahrscheinlich
nicht bekannt
Ende April bis Mitte Mai.

Ranunculus suborbicularis, lowest cauline leaves Ranunculus suborbicularis, tori

Abb. 5 Unterste Stängelblätter von R. suborbicularis
(JE: (a) leg. John, Berlin 1841, (b) Isotypus, leg.
Schwarz 1947, (c) leg. John, Berlin 1841).
Fig. 5 Lowest cauline leaves of R. suborbicularis.

Abb. 6 Fruchtträger von R. suborbicularis, (a) JE: Holotypus, leg. Schwarz 1947, (b) Du-10955, (c) Schema.
Fig. 6 Tori of R. suborbicularis.

 
Unterscheidung ähnlicher Arten:
R. glechomoides besitzt einen mehr kugeligen Fruchtboden, Anfangsblätter mit tieferem Haupteinschnitt sowie Frühjahrsblätter mit häufig gestieltem Mittelabschnitt.
R. biformis weist in der Regel vollständige Blüten mit längeren Blütenblättern, stärker geteilte Frühjahrsblätter und Schlussblätter mit feiner Zähnung auf.

Verbreitung und Gefährdung

Verbreitung: 
 
Wuchsort:
 
Gefährdung:

Berlin (historisch), Thüringen,
Bayern (Mittelfranken und Oberbayern)
colline Buchen- und/oder Eichen-Hainbuchenwälder,
Parkrasen und Gebüsch
stark gefährdet (G2); hohe Verantwortlichkeit: endemisch

Ranunculus suborbicularis, distribution in Germany
Abb. 7 Verbreitung von R. suborbicularis in Deutschland
( Nachweis nach 1990, Nachweis vor 1900 mit geographischer Unschärfe).
Fig. 7 Distribution of R. suborbicularis in Germany
( Record after 1990, Record before 1900 with vague geographical statement).
 
Gesehene Belege
 
Ca. 3446 Berlin, 1841, John (JE s.n.) (Abb. 9-10); 4726.41 Heiligenstadt, Osthang des Schlossberges ca. 2 km westlich Großtöpfer, unterhalb der Ruine der Burg Greifenstein, frischer Buchenwald, 1.5.1999, H.-J. Zündorf (JE, Zündorf 16862); 5033.24 Thüringen, Weimar, Historischer Friedhof (Nordteil des Hauptfriedhofs), Nordwestecke unter großen Bäumen, lückiger Rasen, 6.5.2000, F.G. Dunkel (Du-3546); ibidem, Alter Friedhof, Nordteil, im westlichen abgetrennten Teil unter Buchen, 6.5.2000, F.G. Dunkel (Du-4601); 5034.11 Thüringen, Weimar, Waldgebiet Webicht, nördlich der B 7 nach Umpferstedt, nordwestlich P. 278,0, Gebüsch und zuwachsende grasige Schneise, 175 m, Lkr. WE, 12.5.2004, Dunkel (Du-10955) (Abb. 11); ibidem, westlich P. 278.0, Böschung im Laubwald, 260-270, 12.5.2004, F.G. Dunkel (Du-10954); 5034.13 Thüringen, Weimar, Ehringsdorf, Burgholz, lichter Eichen-Hainbuchen-Wald, 15.5.1957, O. Schwarz (JE); 5628.22 Thüringen, Mendhausen, 1 km n des Ortes, thermophiler Laubwald, 23.5.1992, L. Meierott (Hb. Meierott 92/121); 5630.32 Thüringen, Seidingstadt, Südhang des Straufhain östlich Seidingstadt, Lkr. HBN, 1998, L. Meierott (Hb. Meierott, Du-12337) (Abb. 13); 6434.4 Bayern, Großviehberg, Lkr. LAU, 7.5.1998, E. Bauer (Du-3086) (Abb. 12); 7835.41 Bayern, München, Park nördlich des Maximilianeum, im Gebüsch der Mittelterrasse und angrenzender Böschung, unweit des Maximilianeum, 500-520 m, Stadtgebiet München M, 20.05.2004, F.G. Dunkel (Du-10999).
 

Ranunculus suborbicularis specimen
Abb. 8 Holotypus und Isotypi von R. suborbicularis.
Fig. 8 Specimen of the holotype and the isotypes of R. suborbicularis.
 

Ranunculus suborbicularis specimen (1841)
Abb. 9 Herbarbeleg von R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).
Fig. 9 Specimen of R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).

Ranunculus suborbicularis, specimen (1841)
Abb. 10 Herbarbeleg von R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).
Fig. 10 Specimen of R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).

 
Ranunculus suborbicularis, specimen (1841)
Abb. 11 Herbarbeleg von R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).
Fig. 11 Specimen of R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).

 
Ranunculus suborbicularis, specimen (1841)
Abb. 12 Herbarbeleg von R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).
Fig. 12 Specimen of R. suborbicularis (JE, Berlin, leg. John 1841).

 
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Diskussion
 
Ranunculus auricomus-Pflanzen mit geschlossenem oder sogar überlappendem Spreitengrund der Grundblätter kommen nur bei wenigen Arten vor. Arten, die einen solchen überlappenden Spreitengrund besitzen, gibt es sowohl in der Ranunculus cassubicus-Sammelgruppe, z.B. Ranunculus hannae Jas., als auch bei Arten der Ranunculus auricomus-Sammelgruppe mit stark zerteilten Grundblattspreiten wie R. kunzii Koch. Verwandtschaftliche Beziehungen können hier zur Zeit sicherlich nicht abgeleitet werden. Aber morphologisch stellen geschlossene oder überlappende Spreitengründe das eine, flachbuchtige oder gestutzte Basalbuchten das andere Extrem dar und sind daher als geeignetes Bestimmungsmerkmal einer schwierigen Sammelgruppe geeignet.
 
Ranunculus suborbicularis wurde bislang in Thüringen, Bayern und Berlin nachgewiesen. Die Belege aus dem Raum Berlin stammen allerdings sämtlich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, so dass die Wuchsorte zum größten Teil der zunehmenden Ausdehnung der Stadt Berlin zum Opfer gefallen sein dürften. Bei besserer Kenntnis des Ranunculus auricomus-Komplexes ist vermutlich noch mit weiteren Fundorten zu rechnen. So dürften die bei Engel unter R. marklundii abgebildeten Pflanzen ebenfalls zu R. suborbicularis zu stellen sein (Engel 1968).
 
Vermutungen zur Entstehung des anscheinend disjunkten Areals der Art sind beim jetzigen Kenntnisstand nur hypothetisch. Da eine Fernverbreitung beim Ranunculus auricomus-Komplex bislang nicht bekannt ist und allenfalls als Hydrochorie vorstellbar wäre, muss am ehesten von einer polytopen Entstehung ausgegangen werden. Eine reliktäre Verbreitung ist mit der vermuteten relativ rezenten Entstehung der Arten in diesem Komplex nicht vereinbar.
 
Die Angabe zur Gefährdung der Art ist noch relativ provisorisch. Sicher ist, dass die Berliner Vorkommen des 19. Jahrhunderts wohl sämtlich erloschen sind. Bei keiner der bei Melzheimer & Damboldt dargestellten Berliner Populationen des Ranunculus auricomus-Komplexes handelt es sich um Ranunculus suborbicularis. Der Typus-Bestand im Webicht ist räumlich sehr begrenzt und durch zunehmende Verschattung gefährdet. Die Größe der übrigen nachgewiesenen Populationen ist in den meisten Fällen nicht bekannt.
 
R. suborbicularis stellt mit seinen fast cassubicus-artigen Spreiten der Grundblätter sicherlich eine interessante Art zur Auffindung möglicher Hybriden dar. Im Waldgebiet des locus typi kommen neben R. suborbicularis auch Ranunculus hevellus mit stark zerteilten Grundblattspreiten und Populationen mit intermediärem Zerteilungsgrad der Blattspreiten vor. Letztere könnten aus den erstgenannten Arten entstanden sein und sollten auf ihre mögliche hybride Entstehung hin untersucht werden.
 
Die interessante Morphologie und die bislang disjunkte und für Deutschland vermutlich endemische Verbreitung der Art machen sämtliche Populationen schützenswert. Auf eine weitere Verbreitung von R. suborbicularis sollte geachtet werden.

 
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Danksagung
 
Für die Ausleihe eines Originalheftes der Mitteilungen der Thüringer Botanischen Gesellschaft bedanke ich mich bei Karsten Horn sehr herzlich. Mein Dank gilt den Kustoden des Herbarium Haussknecht (JE), allen voran Herrn Dr. H.-J. Zündorf für die bereitwillige Ausleihe. Prof. Meierott, Gerbrunn, stellte mir sein reichlich gesammeltes Material bereitwillig zur Verfügung. Die lateinische Diagnose überprüfte freundlicherweise Frau Studiendirektorin a. D. H. Neumann, Karlstadt-Wiesenfeld. Meine Frau Birgit stand dem Sammeln, Aufarbeiten und dem Entstehen dieser Arbeit wie immer wohlwollend gegenüber.

 
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Literatur
 
Borchers-Kolb E (1985) Ranunculus sect. Auricomus in Bayern und den angrenzenden Gebieten. II. Spezieller Teil. Mitt. Bot. Staatssamml. München 21:49-300

Brodtbeck T (1998) Ranunculi auricomi Helvetici et transhelvetici. III. Ein Bestimmungsschlüssel für die Umgebung von Basel. Bauhinia 12 (1/2):33-50

Engel R (1968) L´espèce collective Ranunculus auricomus L. dans l´est de la France. Bull. Assoc. Phil. Alsace Lorraine 13:67-94

Melzheimer G, Melzheimer V & Damboldt J (1976) Die Ranunculus auricomus-Sippen West-Berlins. Bot. Jahrb. Syst. 95:339-372

Engel R (1968) L´espèce collective Ranunculus auricomus L. dans l´est de la France. Bull. Assoc. Phil. Alsace Lorraine 13:67-94

Häfliger E (1943) Zytologisch-embryologische Untersuchungen pseudogamer Ranunkeln der Auricomus-Gruppe. Ber. Schweiz. Bot. Ges. 53:317-379

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